Posts Tagged ‘Musik’

Über das Singen. (14/42)

13. September 2015

Seit etwa einem Jahr bin ich Teil eines Chores, der klassische Werke der Sakralmusik interpretiert. Der Chor hat den Anspruch, hochwertige und nicht nur schön klingende Musik zu machen. Alle zwei Wochen am Freitag haben wir Probe, und wir proben eigentlich immer für ein Konzert als solches oder für irgendeine Messe an Weihnachten oder Ostern. Bei vielen der vertonten Werke wirken Solisten mit, also Menschen, die beruflich im weitesten Sinne mit Musik arbeiten, zum Beispiel Kirchenmusiker, Musiklehrer oder Theater- und Opernsänger. Aus Sicht eines Konzertbesuchers stehen die Solisten im Mittelpunkt und Chor und Orchester sind „nur“ die Begleitung. Dabei organisiert der Chor die zu singenden Werke und probt wochenlang oder gar über Monate hinweg für ein Konzert, das dann meistens so um die eine Stunde dauert. Die Solisten und das Orchester werden eingekauft und kommen zur Generalprobe und natürlich zum Konzert. Der Chor erwartet von ihnen eine professionelle Leistung und dafür bekommen sie ja auch Geld. Dem Zuhörer ist das alles aber gar nicht bewusst, und das ist ja auch egal, schließlich will er die Musik genießen, ganz gleich wie sie zustande kommt. Er erwartet ein stimmiges Ganzes und möchte vielleicht mal aus dem Alltag tauchen oder einen Ohrwurm mitnehmen.

Nun ist der Chor irgendwie elitär, weil er nur große, aufwendige Sachen macht, aber eben trotzdem ein katholischer Kirchenchor, was sich immer komisch anhört, wenn ich das jemandem erzähle. Wenn ich dann noch sage, dass ich montags tatsächlich in einem Kirchenchor singe, dann schauen mich alle verstört an. Der Montags-Chor ist eine gute Übung für mich, denn dort sind die Sänger alt und die Stimmen wackelig und es ist für die Leute eher ein Zusammenkommen, ein gesellschaftliches Ereignis, als der Wunsch, Musik als Kunst zu leben. So hört es sich leider oft auch an, wenn keine tragenden Stimmen den Chor mitziehen.

In den letzten zwei Jahren habe ich mich dort ganz gut entwickelt. Anfangs konnte ich überhaupt keine Noten lesen, meine Einsätze waren falsch und zu tief und zu hoch und ich konnte nur leise mitsingen, weil ich mich nicht traute, aus Angst, es zu vermasseln. Auch hatte ich kein Air-Management, um die Töne mit der nötigen Kraft hervor zu bringen. All das hat sich enorm verbessert und nun singe ich eben im „Elite-Chor“ mit. Noten kann ich zwar immer noch nicht wirklich lesen, aber nach ein paar Mal proben sitzt das Stück im Ohr und ich kann es ganz prima singen. Bin ja auch nicht alleine, sondern habe zwei sehr begabte Tenöre neben mir, an denen ich mich orientieren kann. Also nee, ich orientiere mich eigentlich immer an ihnen.

Ich muss sagen, dass mir die Texte im normalen Kirchenchor teilweise sehr auf den Sack gehen. Sie sind oft plump und in einfacher Sprache, sodass sie jeder verstehen kann, aber mir fehlt sehr oft die Poesie oder etwas zum Nachdenken. Das ist bei dem Freitags-Chor anders. Zwar sind auch hier viele Texte auf Latein, also nicht ohne Weiteres zu verstehen, aber wir beschäftigen uns immer mit den Worten und arbeiten mit Übersetzungen, um die Musik und ihre Aussageabsicht besser zu verstehen. Die Texte sind fast immer lyrisch und erzählen Geschichten. Auch wenn hier Jesus immer Thema ist, so ist die Message oft eine tiefer gehende, weil die Umsetzung emotionaler und bedachter ist. So erlebe ich das zumindest. Dabei bin ich nicht religiös, ich mag einfach die Musik, die vor diesem Hintergrund komponiert wurde. Dazu vielleicht morgen mehr.

Von den Werken, die ich bisher mit dem Freitags-Chor vertonen durfte, ist „Fürwahr, er trug unsere Krankheit“ von Buxtehude mein liebstes. Vielleicht möchten Sie hinein hören, auf YouTube gibt es eine ganz hübsche Version. Geht insgesamt 10 Minuten und ist wirklich wunderschön.

Mit Aug‘ und Ohr. (3/42)

16. August 2015

Vor fünf Jahren noch hörte ich viel Musik (Rock, Pop, Türkisch, Klassik) und ein paar Podcasts. Zeit dafür hatte ich genug, fuhr ich doch dreieinhalb Stunden am Tag zur Schule und wieder zurück. Am Wochenende las ich durchschnittlich zwei Stunden in Büchern (Romane, Fantasy, Science-Fiction) und in der Woche täglich am Abend meinen Feed-Reader (Technik, Design, Prosa- und Befindlichkeitsblogs, Erotik). Fernsehen schaute ich schon damals nicht mehr, Nachrichten waren mir egal und Zeitungen zu unhandlich.

Die Podcasts waren in dieser Zeit sehr techniklastig; sieben verschiedene waren es zu Spitzenzeiten, jeweils mehrere Stunden pro Folge. Trotz des hohen Zeitaufwandes konnte ich mithalten; vielleicht auch, weil ich sehr introvertiert war und lieber Zeit alleine verbrachte als mit Anderen (Freunde, Familie). Für Serien und Filme nahm ich mir kaum Zeit. Lesen von Büchern fiel mir schwer, das ging bis Ende des letzten Jahres so. Blogtexte waren ideal, da sie relativ kurz und episodenhaft sind; auch heute noch lese ich sie lieber. Außerdem waren sie eine Möglichkeit der Teilhabe am Leben von interessanten Personen, von denen einige zu meinen Freunden wurden.

Heute sieht es anders aus. Musik höre ich nur noch selten, und falls doch, nur nebenher zu anderen Tätigkeiten. Die Genres lauten nun Ambient, Klassik und Neo-Classic, damit kann ich prima lesen, lernen und duschen.

Die oben genannten Bücher-Genres lese ich kaum noch, mein Regal besteht mittlerweile zum Großteil aus Sachbüchern, denn scheinbar habe ich mich zu einem sonderbaren Schwamm entwickelt, der nur Wissen aufsaugen möchte.

Das zeigt sich auch anhand der Podcasts, die ich heute höre. Technik musste weichen und Platz für Gesellschaftspolitik und Tagesgeschehen machen. Meine neue große Liebe ist „hr2 – Der Tag“ des Hessischen Rundfunks, eine Hintergrundsendung zu jeweils einem Thema. Die Sendung behandelt nicht unbedingt tagesaktuelle Themen wie der Name vermuten lassen würde. Seit einer Woche zum Beispiel geht es um verschiedene Städte und Kulturen auf der ganzen Welt, ist das nicht herrlich?! Auch höre ich viel vom Deutschlandfunk (Politik, Hintergrund, Forschung, Umwelt und Verbraucher). Auf meinem Arbeitsweg oder beim Einkaufen ist das ideal, so spricht mich keiner an und ich kann mich im Nu weiterbilden. Außerdem habe ich mir angewöhnt, alles in doppelter Geschwindigkeit zu hören, das spart extrem viel Zeit! Das klappt erstaunlich gut, sobald man sich daran gewöhnt hat; ich brauchte eine Woche für 1,5x und dann zwei Wochen für die doppelte Geschwindigkeit. Der Nachteil ist, dass ich Menschen aus dem Alltag nur noch ungeduldig zuhören kann, wenn es in dem Gespräch um Informationsaustausch geht. Das trifft zum Glück nicht meine Freunde, die sprechen aber auch so schnell wie meine Podcasts. Und mit Freunden spricht man ja auch viel über Erlebnisse und Gefühle, da ist es etwas Anderes. Da achte ich auf Stimme, Gesichtsausdruck, Wortwahl. Bei Informationen ist mir das Drumherum nicht so wichtig.

Fernsehen schaue ich nach wie vor nicht, stattdessen hat sich mein Serienkonsum enorm gesteigert. Beim Kochen und Speisen läuft eigentlich immer etwas, ich kann gar nicht mehr ohne. Dass das ungesund ist, weil man sich nicht mehr auf das Schmecken und Genießen konzentriert, ist mir bewusst. Aber auch egal, weil ich fast nie Zeit habe, in Ruhe zu essen. Schlimm ist das… Filme schaue ich eigentlich gar keine mehr.

Zeitungen sind mir immer noch zu unhandlich und per se schon veraltet, wenn ich sie in der Hand halte. Tagesgeschehen beziehe ich eh per Audio. Im Feed-Reader tummeln sich nur noch Befindlichkeitsblogs und ein Design-Magazin. An dieser Stelle muss ich Frau Novemberregen sehr danken, dass sie viele der verstummten Blogs durch ihre Wetten reaktiviert hat. So auch meines.

Ich muss sagen, dass ich das Schreiben sehr vermisst habe. Gleichzeitig fällt es mir schwer über meine Gefühle zu schreiben wie früher, dabei gibt es viel zu erzählen. Aber da kommen wir in 42 Tagen bestimmt wieder hin.

Freitag.

30. Oktober 2010

Laub bedeckt das, was einst einmal als Gras bekannt war, die Sonne scheint kalt und der Wind weht still. Straßen, verlassen und leer. Vereinzelt fahren Autos einsamer Menschen über meinen Schatten, schrammen an meiner Existenz vorbei. Der Herbst scheint sein Bestes zu geben; der Boden unter mir ist ein Meer aus Farben und Nuancen. Ich schleiche durch den Ozean und denke analytischer als sonst. In meinen Ohren tönt ein Titel aus dem Score der Serie „Dexter“. Ich beobachte meine Umgebung ganz genau, spüre sogar den Richtungswechsel des stillstehenden Windes. Doch es scheint sich kaum etwas zu verändern. Die urbane Landschaft ist tot. Das einzige Menschenwesen hier bin wohl ich, denke ich und sehe ein Auto um die Ecke kommen. Das ist kein Mensch, das ist ein Zombie, der da in diesem Gefährt sitzt und angefressen über die rote Ampel rauscht. Am Bahnhof nimmt die Menschendichte wie erwartet zu, doch der Missmut weicht nicht aus den Gesichtern. Im Regional Express raubt mir Brian Eno das Bewusstsein und ich schlafe ein. Kurz vor’m Zielbahnhof wache ich auf spüre jeden meiner Knochen. Mein Kopf gleicht innen als auch außen einem heißblütigen Vulkan. Welch ein Glück, dass mich der Deutschlehrer hat gehen lassen. Im Bus nur fremde Schalen und unbekannte Hüllen. Zu Hause stürze ich in mein Bett, tauche unter in einen tiefen, traumlosen Schlaf und wache erst abends wieder auf. Meine Augen verklebt und jeder Blick Stahlwolle. Der Geruch guten Essens in meiner Nase, das Gefühl eines großen Hungers auf meinem Bauch. Im Badezimmer fließend Wasser. Ich packe meine sieben Sachen, ziehe mich warm an und gehe runter in die Küche. Das Essen muss noch werden, sagt Mutter. Tschüss und Türe zu, Berg hinauf und Türe ziehen, bezahlen, ausziehen, anziehen, duschen und springen. Erschöpfung und Enttäuschung erleiden, zwei Stunden durchhalten. Auf dem Weg in’s Hallenbad vernahm ich des Rossmanns Pfeifen, doch er schien den Berg hinabzugehen. Wir haben uns verpasst; schade um die wilden Träume. Später dusche ich mit einem Gleichaltrigen, den ich nicht kenne. Seine Gesichtszüge sind klar und viril, sein Körper haarlos und ausgewogen. Ein schöner Junge. Wir schauen uns beide genauer an, von oben bis unten, und für mehrere Sekunden sogar in unsere Augen. Ein leichtes Schmunzeln und tiefe Grübchen durchziehen seine Physiognomie. In einer bestimmten Sache gleichen wir uns und es gibt keinen, der sich unterlegen fühlen muss. Seine Augen verfolgen mich und ich weiß nicht, welche Bedeutung das haben könnte. Er bleibt am Ball, denke ich. Möchte er etwas sagen, oder weshalb betrachtet er mich so genau? Doch es bleibt bei den Blicken. Mein Durst bleibt ungesühnt. Wir gehen gemeinsam aus dem Duschraum und ziehen uns gemeinsam im Umkleideraum an. Ich sage „Tschüss“ und er „Ciao“. Den Berg laufe ich schnellen Schrittes herunter, kalt ist es und schon nach zweiundzwanzig Uhr. Zu Hause steht das Essen noch auf dem Tisch. Ein spezieller Tontopf bergt in sich eine warm-würzige Fleischzubereitung türkischer Art. Dazu Reis und ich bin für kurze Zeit glücklich. Ich bleibe noch ein bisschen im Wohnzimmer und sehe mir die Pläne unseres eventuell ersten Hauses an. Dort wird mein Bett und der Nachttisch stehen, hier mein Schreibtisch samt Computer und da der Kleiderschrank. Mehr brauche ich nicht. Oben in meinem Ruhelager ein bisschen Twitter und Verbitterung, synchron dazu das Gefühl tiefer Lust und Sehnsucht nach Zuneigung.

Schwermut und Musik, Müdigkeit und Schlaflosigkeit. Nachts um drei Uhr dann „Gute Nacht“.

Der erste Tag.

19. August 2010

Ich sitze oder stehe mit zwei oder drei Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen in dem einen oder in dem anderen Raum und schiebe mindestens ein, meistens aber mehrere Metallteile gleichzeitig in eine der vielen speziell dafür konstruierten Maschinen. Jedes Mal, wenn ich mindestens ein Metallteil in eine der vielen speziell dafür konstruierten Maschinen einlege, macht es entweder spürbar laut „Tick-Tock“ oder maschinenöl-zart „Tick-Tack“. Jenachdem. Entweder. Oder.

Um meine fleischblutige Existenz herum ist es laut. So laut, dass man Gehörschutz tragen muss. Trägt man keinen Gehörschutz, ist das gar nicht gut für die Ohren – vor allem nicht für meine Ohren, denn „die sind besonders sensibel“, sagte einmal der Hals-, Nasen- und Ohrenarzt. Trägt man keinen Gehörschutz, fühlt man sich nach wenigen Minuten von den allumfassenden Schallwellen aus dem Gleichgewicht gebracht und in eine rauschende Betäubung gestoßen. Mit anderen Worten: das Trommelfell des Arbeiters oder der Arbeiterin, welches normalerweise am Ende des Gehörganges im Gehirn zu finden ist, wird platt gemacht, genau wie die Metallteile, die ich in eine der vielen speziell dafür konstruierten Maschinen einlege. Die Grenze meiner Schmerzensgrenze hatte ich schon nach einigen Sekunden erreicht.

Der Gehörschutz besteht objektiv betrachtet aus drei Elementen. Das sichtbarste Element ist ein schallisolierender Kapselgehörschutzkopfhörer, der die Außenwelt quasi um achtzig Prozent leiser und somit erträglicher macht. Die anderen beiden Elemente sind Schaumstoffgehörschutzstöpsel, die man mit den Fingern erst fein säuberlich in die Länge kneten muss, ehe man sie sich in die Gehörgänge links und rechts einführen kann. (Vorsicht! Nicht zu tief einführen, sonst tut’s weh! Und das Dünner- beziehungsweise Längermachen nicht vergessen! Zu dick tut nicht gut und zu lang auch nicht.) Nach wenigen Momenten nehmen die Schaumstoffgehörschutzstöpsel ihre einstige Form an, indem sie sich einfach aufbauschen, als wären sie Schlagsahnefäden, die gerade eine Sprühdose verlassen. Dieses Aufbauschen an sich ist völlig schmerzfrei. Man fühlt sich nur ein wenig komisch, weil das Aufbauschgefühl die Umgebung langsam, aber sicher ausblendet, bis man kaum noch etwas wahrnehmen kann (vergleichbar mit dem Gefühl, bewusstlos zu werden). Kombiniert man nun diese drei Elemente, dringt nichts, rein gar nichts in das Gehirn des Arbeiters oder der Arbeiterin, welches normalerweise vorhanden sein sollte.

Man hört nur noch sich selbst, den eigenen Atem und den eigenen Herzschlag. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich wirklich höre oder ob ich nur glaube zu hören, wie mein Herz schlägt und wie sich meine Lungenflügel entfalten, um Sauerstoff aus der Luft zu schöpfen, wenn ich mich den Gehörschutzmechanismen hingebe.

Das Aufbauschen ist schmerzfrei, wie schon gesagt. Doch etwas anderes löste – zumindest in mir – tiefe Schmerzen aus: meine Stimme.

Die Sache mit der Stimme… Ich glaube, dass jeder Mensch, der denken kann, im Besitz einer inneren Stimme ist. Das mag sein, mag aber auch nicht sein, ist aber in diesem Fall eigentlich egal (Hinweise gerne in den Kommentaren!). Ich jedenfalls habe eine innere Stimme. Eine Stimme, die sich wandeln, jede erdenkliche Form und Tonlage annehmen und sein kann. Diese Stimme in mir bin ich, das glaube ich zumindest. Ich sehe mich als Ganzes, als einen Körper an, welcher aber auf dieser inneren Stimme basiert. Sie ist in Kombination mit meinen Erinnerungen und Erfahrungen die Grundlage meines Wesens, das Fundament meiner Psyche. Sie ist mein Kommunikationsinstrument zur Außenwelt, wird von meinem Körper in Schrift oder Ton gewandelt und so zu Ausdruck gebracht. Auch der Körper selbst dient zur Kommunikation, genauso wie ein Lächeln oder eine einsame Träne, die sich im Mundwinkel verfangen hat. Diese magische Wandlung fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Der Mensch ist ein verdammtes Wunder!

Die Sache mit der Stimme meines Kopfes… Vor meinem ersten Arbeitstag habe ich sie nie zuvor so stark wahrgenommen. Klar, sie ist immer zugegen, zum Beispiel jetzt, während ich diesen Text schreibe. Sie diktiert meinen Armen und meinen Fingern, was ich wie in diesen Computer zu tippen habe. Sie ist auch da, wenn ich mit Jemandem rede oder Jemandem zuhöre. Doch in solchen Fällen spielt sie eine kleine Rolle, den in solchen Fällen höre ich eher der Stimme zu, die meinen Mund verlässt. Ich bekomme Feedback über meine Ohren: somit kann ich überprüfen, was ich ausgesprochen habe und was nicht – und vor allem, wie ich ‚was ausgesprochen habe. Das ist sehr wichtig!

Ich weiß, dass mein Inneres ehrlich zu mir ist. Die Stimme ist ein Teil meines Inneres und deswegen spricht sie auch die Sprache der Selbstwahrheit. Das mag sein, mag aber auch nicht sein, ist aber in diesem Fall eigentlich egal (Hinweise gerne in den Kommentaren!). Diese Stimme ist knallhart und kritisiert mich zum Beispiel (konstruktiv), wenn ich etwas ausspreche oder signalisiere, das ich eigentlich ganz anders meine. Die Stimme meines Kopfes meint. Ich meine also.

Höre ich Musik, spielt meine innere Stimme, der kleine Heartcore in mir, eigentlich keine Rolle. Der kleine Heartcore hört zu in Momenten, in denen er wirklich nur zuhört. Ich nehme den Text und die Akustik des Musikstückes wahr, verarbeite diese vielleicht. In Momenten, in denen ich mir Gedanken mache, spricht die Stimme wieder. Auch wenn die Musik läuft.

Sehe ich einen Film, spielt mein inneres Auge, der kleine Heartcore in mir, eigentlich keine Rolle. Der kleine Heartcore sieht zu in Momenten, in denen er wirklich nur zusieht. Ich nehme das Bild und die Akustik des Filmes wahr, verarbeite diese vielleicht. In Momenten, in denen ich mir Gedanken mache, spricht die Stimme wieder. Auch wenn ein Film läuft.

Die innere Stimme und das innere Auge. Ein unzertrennliches Paar!

An meinem ersten Arbeitstag stand ich also an einer speziell konstruierten Maschine und schob Metallteile in kreisrunde Öffnungen. Auf meinem Kopf befanden sich der Kapselgehörschutzkopfhörer und darunter die Schaumstoffgehörschutzstöpsel. In mein Gehirn drang keine Akustik von außen ein und das Bild, das meinen Augen geboten wurde, bestand aus der speziell konstruierten Maschine und meiner Aufgabe, die ich so schnell wie möglich zu erledigen hatte. Ich konnte nicht wegschauen, weil sich die Maschine vor mir immer weiterdrehte und ich mit ihr einen Taktakt bilden musste, damit ich meine Aufgabe so schnell wie möglich erledigen kann. Monotonie at it’s best.

Um mich nicht zu langweilen, fing ich an, mir Gedanken zu machen. Erst beschäftigte ich mich mit der Arbeit und dem Umfeld, in dem ich mich befand, und reflektierte die bis dorthin erlebten Gesichter. Danach schweifte ich auf abwegige Pfade ab und verlor mich im Gestrüpp meiner Selbst, das eigentlich ein unendlich flächiger und unübersichtlicher Regenwald ist. Die ständige Stille und der Input, der nicht vorhanden zu sein schien, zwang mich geradezu, mich mit meiner inneren Stimme zu beschäftigen. Ich war zusammen mit meiner unbestimmbaren Stimme in meinem unstimmigen Kopf gefangen! Gefangen, in einer Gummizelle… links und rechts nur Schaumstoff und Gummi, oben und unten nur Gehirnmasse, Blut und Knochen(gewebe)… Interniert in mir selbst und mit mir selbst allein…

Nach einiger Zeit wurde mir bewusst, dass ich nicht der Panik verfallen darf, wenn ich in dieser Firma weiterhin arbeiten will. Also sprach ich mit mir selbst, schrieb nie abgeschickte Briefe und nie veröffentlichte Blogeinträge, sang die Lieder, die mir auf der Zunge lagen, und malte mir nie da gewesene Bilder aus.

Doch irgendwann konnte ich nicht mehr. Ständig diese Bilder und ständig diese Stimme(n)! Ich sehnte mir die Stille herbei, die absolute Stille, doch dabei befand ich mich inmitten einer solchen Stille, die mich komplett für sich eingenommen hatte. Nur das Grundrauschen des Lebens und meine Gedanken durchbrachen das absolut Unhörbare. Mir wurde klar, dass es nur eine einzige, absolute Stille gibt: den Tod.

Die Angst saß mir im Nacken und flüsterte mir vorlaut ins Ohr, doch ich konnte weder aufsehen, noch hinhören. Ich musste den Fluss der Maschine aufrecht erhalten. „Nicht panieren, nicht panieren!“

Und wie aus dem Nichts wurde mir klar: ich bin ein Teil der Maschine. Zwar denkend und aus Fleisch und Blut, doch trotzdem ein Teil einer ganzen Maschine, die ohne mich nicht funktionieren kann. Das machte mich einerseits interessant und andererseits unfassbar traurig.

Ich war gerade dabei, innerlich meine Trauer zu zelebrieren, als einer der zwei oder drei Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen neben mir stand und mich lustig von der Seite anfummelte. Ich stoppte die Maschine, nahm meine Kapselgehörschutzkopfhörer ab und zog dann langsam meinen linken Schaumstoffgehörschutzstöpsel aus meinem Gehörgang, damit ich etwas verstehen konnte – denn Lippenlesen, das kann ich noch nicht!

Die erlösenden Worte des Mitarbeiters waren: „Du kannst an die Kopfhörer auch einen mp3-Player oder iPod anschließen! Probier’s mal, vielleicht gefällt’s dir!“

Ich stand da wie der letzte Idiot des untergehenden Abendlandes und grinste so lange debil in die kleine Abteilung, bis mein Trommelfell Schmerz verzeichnete und meine Augen freaky zu zucken begannen. Der Schmerz befreite mich aus meiner Idiotie und ich kam wieder zu mir.

Das erste Musikstück, für das ich an meinem ersten Arbeitstag während der viel zu lauten, tonlosen Arbeit die Ohren spitzte, war folgendes: { Anhören! } „Ave Maria“ in der Version von Giulio Caccini & Paul Pritchar aus dem Album „Donnie Darko (Soundtrack & Score)“.

Das befriedigendste Musikerlebnis, das ich je hatte.