Die Frage nach dem Sinn.

10. Oktober 2011

Die Lebenszeit nicht verschwenden, das ist mir wichtig, immer wieder nach dem Sinn fragen, denn Sinn ist wichtig, wichtiger als Glück […] schreibt Frau Fragmente.

Ich denke dieser Tage viel darüber nach, welchen Sinn mein Leben derzeit hat. Ich habe Wochen und Monate damit verbracht, auf Briefe, Antworten, Zu- oder Absagen zu warten und befinde mich jetzt inmitten einer großen Leere, weil die Grundlage, auf der ich meine Zukunft aufbauen wollte, auf der Kippe steht und sich immer mehr in Richtung Abgrund neigt. Eigentlich kann ich den Boden schon berühren und sollte endlich aufstehen und nach vorne schauen. Aber da ist noch Hoffnung, an die ich mich klammere. Eine letzte Chance, die das Ruder herumreißen könnte.

Ich war nicht faul und untätig, ich habe viel unternommen, damit ich mein Studium so entspannt wie möglich angehen kann, doch weil dieses jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit wegbrechen wird, muss ich mir etwas Anderes suchen, das mir einen Sinn gibt. Termine bei verschiedenen Beratungsstellen; der Versuch, mein Zeugnis anerkennen zu lassen; Praktika, Kindergeld, BAföG; die Suche nach einer WG, in der ich mich wohl fühlen könnte … all das habe ich in den letzten Wochen versucht in die Wege zu leiten, doch letztlich stehe ich da, ohne etwas erreicht zu haben, weil die Grundlage all dessen marode ist und wegbrechen wird. Wenn da nicht die Hoffnung wäre, der ich jedes Mal blind vertraue, naiv und optimistisch wie ich bin, wäre ich jetzt woanders, als im Hause meiner Eltern.

Ich bin wieder bei meinen Eltern. Ich bin wieder dort, wo ich eigentlich nicht sein möchte. Nicht aus der Not heraus, sondern weil ich meine Familie vermisst habe, weil ich meine Oma und ein paar Verwandte nach langen Jahren wieder sehen wollte, die wegen der Hochzeit meines Cousins aus der Türkei eingereist sind. Das Verhältnis zu meinen Eltern ist derzeit okay — wir waren sogar bei einem Familientherapeuten und es lief erfreulich —, dennoch halte ich es in der Wohnung nicht aus. Ich will ausziehen, und das Studium wäre ein guter Grund und eine finanzielle Stütze gewesen, aber das kann ich jetzt wohl vergessen. Ich muss nach vorne schauen, ich muss endlich lernen, auf mehreren Gleisen gleichzeitig zu fahren. Ich darf nicht mehr (allein) auf die Hoffnung setzen.

Seit ein paar Tagen suche ich in der Stadt, in der ich studieren möchte, nach Arbeit, nach Jobs, nach einer Beschäftigung, die mich über Wasser hält, bis ich mich nächsten Juli wieder für ein Studium bewerben kann. Aber aus der Ferne geht das schlecht. Immerhin habe ich einige Anlaufstellen, die vielversprechend klingen; denen werde ich schreiben. Ich brauche Arbeit, ich brauche ein Projekt oder eine Beschäftigung, dem ich meine Aufmerksamkeit schenken kann und dafür entlohnt werde. Ich brauche einen Sinn, etwas, woran ich arbeiten und wachsen kann. Sonst komme ich mir nutzlos und verschwendet vor.

Und ich weiß nicht einmal, ob die Zeit, die ich jetzt mit Warten und Suchen verbringe, verschwendete Zeit ist oder einfach nur der normale Lauf eines eigenständigen Lebens.

3 Antworten to “Die Frage nach dem Sinn.”

  1. Hannah Says:

    Ich glaube, es ist der normale Lauf der Dinge, auch wenn es sich wie verschwendete Zeit anfühlt. Wenn man weiß, was man will und – aus welchen Gründen auch immer – nicht sofort damit beginnen kann, fühlt sich bis dahin doch immer alles wie verschwendete Zeit an. Wichtig ist nur, womit du dein Warten füllst.

  2. poetin Says:

    mein herz,

    meine geschichte war anders als deine und doch kenne ich zustände, wie du sie jetzt erlebst, nur allzu gut. sie gehören dazu, wenn man anders ist und durch raster fällt. sie gehen vorbei, aber sie sind auch wichtig. das leben ist keine schnurgerade straße und genau das sehnen danach loszulassen, kann dich deine zeit jetzt lehren.

    mir hat es sehr geholfen, mich in solchem erleben nicht allein auf mich zu fokussieren. vielleicht wäre ja eine zeit in der arche etwas für dich?
    du lebst dort in einer wohngemeinschaft in einem eigenen zimmer, arbeitest, hast einen strukturierten tagesablauf, kost und logis sind frei, für deine krankenversicherung ist gesorgt und ein taschengeld, sowie urlaub bekommst du auch.

    ich habe selbst einige zeit in dieser gemeinschaft gelebt, damals nach dem abi, in paris. alles, was du brauchst, ist eine offenheit, zu akzeptieren, dass die meisten dort christlichen glaubens sind, so wie du in deinem glauben akzeptiert werden würdest und vor allem brauchst du die bereitschaft, dich auf die intensive begegnungen mit behinderten und nicht behinderten menschen einzulassen.

    mir hat diese zeit sehr geholfen, mich zu orientieren, eine ahnung davon zu spüren, wer ich bin und noch heute trage ich die erfahrungen dort als großen schatz in mir.

    schau doch mal, ob das für dich passen könnte:
    http://www.arche-deutschland.de/index.php?id=4
    ich weiß nicht genau, in welcher stadt du studieren magst, aber die arche tecklenburg dünkt mir, ist nicht allzu weit davon entfernt. vielleicht kannst du so auch dinge leichter für dich regeln.

    ich umarme dich.
    dein schwan

  3. Katharina Says:

    Du hast Dir darüber bestimmt schon Gedanken gemacht, aber falls nicht, möchte ich es noch einmal erwähnen:

    Wie sieht es mit einem dualem Studium aus? Du würdest Geld verdienen und gleichzeitig studieren. Allerdings weiss ich nicht, ob das in jeder Berufs- bzw. Studiensparte funktioniert/angeboten wird.

    Ob für Dich „erst mal Ausbildung“ in Frage käme, weiss ich nicht. Es las sich bisher so, als stünde Dein Wunsch nach „sofort Studium“ sehr fest. In Anbetracht der Tatsachen(Geldnot, aber ausziehen wollen) wäre dies jedoch noch eine weitere Alternative. Viele meiner Freunde haben auch in den verschiedensten Bereichen (kaufmännisch aber ach sozial, im Medienbereich sicher auch möglich) nach einer abgeschlossenen Ausbildung nun ein Studium begonnen.

    Ich wünsche Dir in jedem Fall weiterhin viel Kraft. Und lese mit einem Lächeln, dass es mit der Familie „klappt“. Familie ist nämlich wichtig.

    Alles Gute

    Katharina


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